Aller Anfang ist schwer
3. März 2021
Dreiviertel Jahr wuchs ich entstresst.
Dann wurde ich hinausgepresst
in den sterilen Neonsaal.
Mein Lebensstart war eine Qual.
Bevor ich noch erst Luft geholt
bekam ich das Gesäss versohlt,
begann – gehalten an den Beinen –
kopfüberhängend laut zu weinen.
Vielleicht auch, weil ich, statt verkabelt,
alleine war und abgenabelt.
Als Antwort auf mein schrilles Brüllen
begann die Mutter mich zu stillen.
Nur war die ihre Brust noch trocken,
mein Saugreflex geriet ins Stocken
und ich begriff den Ernst des Lebens:
ein armer Schlucker saugt vergebens!
Als ich dann lautstark protestierte,
man mir den Schnuller implantierte…
Dann schob man mich – geht es noch schlimmer? –
ins glassterile Säuglingszimmer,
ins markdurchdringende Gejammer
der Leidgenossen dieser Kammer.
So lag ich nun mit voller Windel
beim neugeborenen Gesindel
und hoffte, von dem Duft benebelt
und durch die Laken arg geknebelt,
ich möge möglichst bald auf Erden
als Menschenskind ent-wickelt werden!
Christoph Sutter